Erzrivalen

Posted on Posted in unkategorisiert

Wie die Rivalität zwischen Köln und Gladbach entstanden ist

Seit über 60 Jahren lodert am Rhein ein ganz besonderes Fußballfeuer: Wenn der 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach aufeinandertreffen, kochen die Emotionen regelmäßig über. Fahnenklau, Polizeischutz für den Geißbock, ein gestohlener Mannschaftsbus – das rheinische Derby hat längst Kultstatus. Aber woher kommt die Rivalität zweier Klubs, die geografisch nur rund 50 Kilometer trennen, deren Welten aber manchmal Lichtjahre auseinanderliegen?


Am Anfang war Hennes – und Hennes Weisweiler

Die Geschichte dieser Feindschaft beginnt mit einem Mann, der beide Vereine geprägt hat wie kein anderer: Hennes Weisweiler.
Der gebürtige Erftstädter war 1948 einer der ersten Trainer des neu gegründeten 1. FC Köln. Als Spielertrainer lief er 62 Mal für die „Geißböcke“ auf – in dieser Zeit bekam der FC übrigens auch sein berühmtes Maskottchen geschenkt, den Ziegenbock „Hennes“.

Doch 1952 kam es zum Bruch mit Vereinspräsident Franz Kremer. Weisweiler verließ Köln, heuerte zunächst beim Rheydter SV an, wurde dann Assistent von Bundestrainer Sepp Herberger – und kehrte 1955 noch einmal kurz zum FC zurück. Seine endgültige Zäsur aber folgte 1964: Er wechselte als Trainer zu Borussia Mönchengladbach.


Der abtrünnige Kölner, der Gladbach groß machte

Weisweiler war ehrgeizig – und nachtragend. Gegen seinen Ex-Klub wollte er um jeden Preis gewinnen. Seine Gladbacher „Fohlen-Elf“ spielte in den 1970er Jahren Fußball, wie man ihn bis dahin in Deutschland kaum gesehen hatte: schnell, frech, spektakulär.

Der Erfolg gab ihm recht: Drei Meistertitel, ein DFB-Pokal, internationale Erfolge – und immer wieder Siege gegen den FC Köln.
Für viele Kölner Fans war das ein Affront. Der „verlorene Sohn“ aus der Domstadt machte ausgerechnet den vermeintlichen Provinzklub vom Niederrhein zum Aushängeschild des deutschen Fußballs. Die Rivalität war geboren – und sie wurde bald zum Dauerbrenner.


Busklau, Fanausschreitungen und Weisweilers Rückkehr

Die 70er waren wild. 1971 verschwand vor einem Auswärtsspiel in Köln plötzlich der Mannschaftsbus der Gladbacher – samt Trikots und Schuhen. Die Ersatz-Ausrüstung passte nicht, das Spiel ging verloren. Der Bus tauchte später wieder auf – eine Anekdote, die heute noch bei Derby-Erzählungen nicht fehlen darf.

Auch auf den Rängen knisterte es: Bereits damals kam es zu Flaschenwürfen und Prügeleien. In den 2000ern eskalierte die Fanrivalität dann erneut – Stichwort Fahnenklau: Als Gladbacher Ultras ihre gestohlene Vereinsfahne im Kölner Block entdeckten, brach Chaos aus. Das Spiel wurde unterbrochen, die Rivalität erreichte ein neues, unschönes Level.

Weisweiler selbst hat das nicht mehr erlebt. Der „Vater“ beider Klubs starb 1983 in der Schweiz. Doch kurz vor seinem Tod hatte er noch einmal die Seiten gewechselt – zurück nach Köln. 1978 holte er mit dem FC das Double aus Meisterschaft und Pokal – ausgerechnet vor Mönchengladbach, das am letzten Spieltag trotz eines legendären 12:0-Siegs gegen Dortmund Zweiter wurde.


„Buure“ gegen „Feine Herrschaften“ – ein Kampf der Mentalitäten

Sportlich und kulturell prallen in diesem Derby zwei Welten aufeinander.
Die Kölner sehen sich traditionell als weltoffene Großstädter, die Gladbacher galten lange als bodenständige, „bäuerliche“ Provinztruppe – oder, wie man in Köln sagt, als „Buure“. Umgekehrt hielten viele Gladbacher den FC für arrogant und selbstverliebt.

Diese gegenseitige Abgrenzung trug ihren Teil dazu bei, dass das Derby mehr wurde als ein Fußballspiel. Es ist ein Stellvertreterkrieg der Identitäten, bei dem Stadtstolz, Lebensgefühl und Fußballkultur aufeinanderprallen.


Gewalt, Emotionen – aber auch Respekt

In den 80ern und 90ern kühlte das Verhältnis kurzzeitig ab. Doch seit der Jahrtausendwende brodelt es wieder – immer wieder mit Ausschreitungen, Stadionverboten und Polizeigroßaufgeboten.
Vor jedem Derby werden Sicherheitszonen eingerichtet, Glasflaschen und Dosen sind rund ums Stadion tabu. Und trotzdem: Das Spiel bleibt ein Magnet für hunderttausende Fans am Fernseher und Zehntausende im Stadion.

Trotz aller Feindseligkeit auf den Rängen: Auf dem Platz blieb es erstaunlich fair. In 113 Begegnungen gab es bisher nur sechs Platzverweise – fünf davon für Köln. Fußballer wie Toni Polster, Rainer Bonhof oder Thomas Broich haben sogar auf beiden Seiten gespielt, ohne dafür gelyncht zu werden.


Weisweilers Vermächtnis

Wenn Köln und Gladbach heute aufeinandertreffen, dann lebt der Geist von Hennes Weisweiler in jedem Pass, in jedem Zweikampf. Der Mann, der beide Vereine groß machte – und sie zugleich entzweit hat – ist bis heute das unsichtbare Bindeglied dieser Feindschaft.

Vielleicht ist genau das der Grund, warum das „echte“ rheinische Derby nie an Reiz verliert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *